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HERZ.stücke

Heiner Müller © Eva Brenner (1987)

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© R. Berson (2005)

10 Tage 10 Nächte

Heiner Müller non-stop

Wohnen & Arbeiten

in der FLEISCHEREI

Textzitate Heiner Müller:

„Herakles 2 oder die Hydra“ (1972)
“Der Auftrag. Erinnerung an eine Revolution” (1979)
“Herzstück” (1981)
“Ajax Zum Beispiel“ (1994)
“Traumtext” (1995)

zum 10. Todestag von Heiner Müller (30. 12. 2005)

OPENING: Montag, 24. Oktober 2005, 20h,

Rund um die Uhr bis Donnerstag, 3. November, 20h

Aktionen * Essen * Trinken * Diskussion

Pay as you wish

 

Auf Basis von fünf Texten aus unterschiedlichen Perioden des Werks, werden Müllers Kommentare zum wachsenden Kultur- und Geschichtsverlust in unserer Gesellschaft sowie die mythischen Heldenbilder unserer Kultur bearbeitet.

AktionistInnen: Rainer Berson (BR/D), Eva Brenner (A/USA), Corinne Eckenstein (CH), Nicolas Dabelstein (D) Aisha Lindsey (USA), Clemens Matzka (A), Andreas Pamperl (A), Maren Rahmann (D), Angélica Castelló (MEX), YAP Sun Sun (SING)

Raum/Projektionen: Andreas Pamperl (A, Kostüme: Beatrice Radlinger (A, Assistenz: Anna Sonntag (A), Isabel Öhlinger (A) Grafik/Fotografie: Rainer Berson, Dokumentation: Barbara Seifert (A)
Dank an Josef Szeiler

 

Das Projekt

 

10 Jahre Müller Tod

10 Tage 10 Nächte Leben

10 Stunden Aktionen

10 Minuten Theater

10 AktionistInnen

10x 2 kulinarische Intermezzi

 

10 Jahre nach Heiner Müllers Tod wird das Team der FLEISCHREI
10 Tage und 10 Nächte im neuen Raum „FLEISCHREI“ wohnen, arbeiten, Theater machen, Gäste empfangen und diskutieren.
10 KünstlerInnen arbeiten nach einer exakten Zeitstruktur und nach fixen Spielregeln jeweils 24 Stunden zu den ausgewählten Texten.
In 10x 24-stündigen Theateraktionen werden historische Analogien, Verbindungslinien und Bruchlinien in Müllers Texten nachgezeichnet und auf ihre Aktualität untersucht. Jede/r der zehn FLEISCHEREI-AktionistInnen ist jeweils für die Gestaltung von 24 Stunden verantwortlich.
Die 24 Stunden gliedern sich in zwei Arbeitsblöcke von je 10 Stunden, die von je zwei Stunden gemeinsamen Essens am großen Schlachttisch unterbrochen werden: Ein Frühstück mit dem Team und ein Abendessen mit Gästen aus dem Grätzel dienen zur Anregung und Vertiefung des künstlerischen Prozesses.

Nach jeder vollen Stunde gibt es 10 Minuten Performance szenischer Fragmente, womit auch der traditionelle Theaterbegriff konterkariert wird.

Der Tag besteht aus Zeiteinheiten von:

1) Körperarbeit, 2) Straßenarbeit, 3) Gastarbeit, 4) Denkarbeit, 5) Hausarbeit, 6) Nachtarbeit, 7) Fleißarbeit und Arbeitspausen.

 

Arbeit mit Müllers Texten

 

Auf Basis von fünf Texten aus unterschiedlichen Perioden des Werks, werden Müllers Kommentare zum wachsenden Kultur- und Geschichtsverlust in unserer Gesellschaft sowie die mythischen Heldenbilder unserer Kultur bearbeitet. Eine Klammer bildet der thematische Komplex „Mensch“ und „Maschine“. Dabei verblüfft die prophetische Dimension von Müllers Spätwerken, in denen lange vor „9/11“ und „New Orleans“ die Gespenster einer „Neuen Welt(un)ordnung“ unter dem Signum der „Globalisierung“ vorgezeichnet scheinen. Gefragt wird nach dem Stellenwert von menschlicher Arbeit und Existenz vor dem Hintergrund zunehmender Ökonomisierung und Automatisierung aller Lebensbereiche.

 

Special Events im Rahmen von HERZ.stücke

 

MÜLLERDIALOGE in der FLEISCHEREI

bei freiem Eintritt

 

I Freitag, 21. Oktober, ab 19 Uhr

SOIRÉE mit Essen&Trinken

EINFACH MEHR ANTEIL

initiiert von Werner Rotter
(Menschenrechtskomitee Seibane Wague)
in Kooperation mit Initiative GRÜNE MigrantInnen (IGM)
mit: Madeleine Reiser (Bezirksvorsteher Stellv., 7. Bezirk),
Alev Korun (Kandidatin zum Wiener Gemeinderat)

 

II Montag, 31. Oktober, 21 Uhr

OHNE HOFFNUNG OHNE VERZWEIFLUNG II

Talkshow mit Ronald Pohl (der Standard) & Josef Szeiler (Regisseur)

 

III Donnerstag, 3. November, 18 Uhr

MENSCH & MASCHINE

GESPRÄCH mit dem Redaktionskollektiv der Zeitschrift MALMOE & Gast

 

Das Projekt ist Auftakt zu „NICE TO MEAT YOU! – Szenen im Zeitalter von TERROR & COOLNESS“, Zweijahreszyklus 2005-07, ein Interdisziplinäres Theater- & Forschungsprojekt in der FLEISCHEREI & im öffentlichen Raum.

 

Neues Team neues Konzept der FLEISCHEREI

Das neue künstlerische Team rund um Eva Brenner (PROJEKT THEATER STUDIO), Corinne Eckenstein(fe/male polaroids) und Nicolas Dabelstein (theater turbine) initiiert mit „HERZ.stücke“ ein Heiner Müller-Projektjahr im neuen theatralen Raum FLEISCHEREI.

Die FLEISCHEREI ist konzipiert als Basiszentrum für neuartige Theaterarbeit mitten im Geschehen der Stadt, als Laden aus Zeiten der guten alten Greißlerei und als grenzüberschreitender Kommunikationsort mit „windows on the world“. Die großen Auslagen bieten Platz für neue theatrale Formate „künstlerischer Nahversorgung“ – von Performances über Diskussionen bis hin zu Konzerten und aktionistischen Interventionen.

 

Theater innen und außen

Das Projekt des gemeinsamen Wohnens & Arbeitens ist ein Versuch, den theatralen Raum neu zu definieren und durch Bespielung von Schaufenstern und Straße nach außen zu öffnen. Unter Beteiligung verschiedener geladener Zielgruppen wird Alltag mit Kunst, Wohnen mit Arbeit konfrontiert. Die angeblich unverkäufliche „Ware“ Kreativität wird buchstäblich in die „Auslage“ gestellt und zu günstigen Preisen angeboten, die ehemalige Greißlerei aus der vorletzten Jahrhundertwende als neuartiger Kommunikationsort umfunktioniert.

Ziel des Experiments ist es, mit einem neuen Publikum den Diskurs über komplexe zeitgenössische Theatertexte und aktuelle politische Inhalte zu eröffnen.

 

Raum

Den Rahmen für das Projekt HERZ.stücke bildet ein kahler Einheitsraum, der als temporärer Wohnraum umgestaltet wird. Die FLEISCHEREI als ehemaliger Kolonialwarenladen hat seine Funktion verloren und wartet nun – ähnlich wie Müllers Texte - „auf Geschichte“. Während der 10-tägigen Aktionen des Teams wird die Umgebung rund um die FLEISCHEREI (Kreuzung Burggasse/Kirchen-gasse, Gehsteige, Billardcafé, Straße) in das Spiel einbezogen. Nachbarn, Geschäftstreibende, Arbeitslose, Jugendliche, AktivistInnen und andere „Gäste“ aus dem Grätzel mischen sich aktiv ins Geschehen, lesen Texte und beteiligen sich mit persönlichen Geschichten.

„Der Mensch ist der Feind der Maschine, für jedes geordnete System ist er der Störfaktor. Er ist unordentlich, macht Dreck und funktioniert nicht. (…) Das ist die Arbeit des Kapitalismus – der Struktur der Maschine. Der Logik der Maschine entspricht die Reduzierung des Menschen auf den Rohstoff, auf das Material plus Zahngold.(…) Die Anstrengung der Theorie im Westen beschränkt sich darauf, auf der Seite der Sieger zu stehen, der Maschinen. Die Sieger sind in unserem Jahrhundert die Ruinierer. Man muss sich weigern zu siegen.“
- Heiner Müller, „Jenseits der Nation“, 1991.

Autor

Heiner Müller (* 9. Januar 1929 in Eppendorf, Sachsen, † 30. Dezember 1995 in Berlin) zählt zu den wichtigsten und umstrittensten deutschsprachigen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Der DDR-Autor war einer der wenigen "Gegendenker", für den Tod, Gewalt und Verrat zentrale kollektive Erfahrungen darstellten. Der radikale Antikapitalist und apokalyptische Visionär litt an der deutschen Geschichte und bezog zugleich aus ihr seine ästhetische Produktivität. Merkmal sind unerbittliche Betrachtungen der „Epochenkollision“ zwischen Faschismus und Sozialismus, zwischen Ost und West. Müllers poetische Erinnerungsarbeit wendet sich gegen das Vergessen im Gedächtnisraum Deutschland. Durch extreme Verknappung und Fragmentierung sprengen seine Theaterstücke, Gedichte und Prosatexte traditionelle literarische/dramatische Formen und Dialoge. Sein Theater zielt in seiner Radikalisierung der dargestellten Konflikte nicht mehr auf Lösungen, sondern auf die Produktion neuer Wahrnehmungs- und Aktionsmuster.

  

Texte

 „Herakles 2 oder die Hydra“ (aus: „Zement“, 1972)

In dem Prosatext „Herakles 2 oder die Hydra“ – Intermedium des Stücks „Zement“ (1972) - hat Heiner Müller bereits in den frühen 70er Jahren das mögliche Scheitern des Sozialismus in seiner real-existierenden Ausprägung prophezeit. Zudem stellt er die Verantwortung und Entscheidungsfreiheit/
Begrenztheit des Individuums radikal in Frage - und damit die Rhetorik des „Heroischen“. Der Boden unter den Füssen des Helden beginnt zu schwanken, seine Orientierung geht verloren und er verirrt sich im Wald. Die Suche nach dem (kapitalistischen) „Monster“ Hydra wird zum Albtraum, der Wald und/oder er selbst entpuppten sich im Laufe der „Schlacht“ als der Feind.

 

Der Mann im Fahrstuhl (aus: „Der Auftrag“, 1979)

Mit dem traumhaften Prosatext „Mann im Fahrstuhl“ - ein Intermedium im Revolutionsdrama „Der Auftrag“ - thematisiert Müller die verlorene Suche nach einer politischen Utopie, die im Morast des kapitalistischen Systems versinkt. Der Text stellt Fragen über die "Sklaverei" der ökonomischen Zwänge und die möglichen Auswege im Kontext von Kolonialismus und Neokolonialismus. Der Kampf gegen die Sklaverei ist vorerst ein Kampf gegen die "Sklaverei des Systems" in uns selbst.

 

Herzstück (1981)

Der einseitige Text über Gewalt und Einverständnis entwirft eine Szene, die sich zwischen zwei Zahlen, EINS und ZWEI, abspielt, lesbar als Figuren und Stimmen. EINS möchte ZWEI sein Herz zu Füssen legen und beteuert dessen Reinheit, gesteht aber, es nicht herauszukriegen, woraufhin ZWEI ihm helfen will, ebenfalls ohne Erfolg. Nun sagt EINS erst mal nichts, sondern „HEULT“, worauf ZWEI seine Hilfe anbietet und ankündigt, mit einem Taschenmesser das Herz herauszuschneiden. Das erweist sich jedoch als ein Ziegelstein. Die gängige Lesart des Textes als witzige Liebesgeschichte scheitert an der Kälte, mit der ZWEI die konventionelle Liebeserklärung wörtlich nimmt und damit ad absurdum führt. Das Herausschneiden des Herzens als totale Aneignung des Wunschobjekts ist zugleich dessen Mord und Verwandlung in tote Materie.

 

Ajax Zum Beispiel (1994)

In dem Langgedicht aus dem Jahr 1994 vergleicht Müller seine paradoxe Situation als Überlebender der DDR im neuen Deutschland mit der des mythischen Ajax vor Troja, der - von der Göttin Athene mit Wahnsinn geschlagen – anstatt seiner Feinde eine Viehherde schlachtete und sich - wieder sehend geworden – aus Scham in sein Schwert stürzte. Zwischen den Neonleuchtreklamen des nächtlichen Berlin räsoniert Müller über offene Wunden der Geschichte, verknüpft das Wahrgenommene mit persönlichen Gedanken und politischen Analysen – gezeichnet von dem Wissen, bald selbst nicht mehr unter den Lebenden zu sein...

 

Traumtext (1995)

Kurz vor seinem Tod befasst sich der durch Krankheit gezeichnete Müller mit dem zentralen Thema des Lebens: dem (eigenen) Tod. Gefangen in einem Kessel, in welchem Müller Deutschland seit Stalingrad sieht, lässt den Blick über den Rand nicht zu. Unermüdliche Schritte führen nur zurück zum Ausgangspunkt. Der Kreisgang wird durch die Figur der Tochter durchbrochen, sie verweist auf die Zukunft. Jedoch kann er, der Sterbende, nicht mehr eingreifen, seine Wahrheit ist abgelaufen, er hat keine Erklärung mehr für die Zeit nach ihm. Der anachronistische Held weiß keine Lösung mehr: „BLEIB WEG VON MIR DER DIR NICHT HELFEN KANN“.

 

Textzitate

 „...Er kam keinen Schritt weit, der Wald hielt das Tempo, er blieb in der Klammer [...] und begriff, in der aufsteigenden Panik: der Wald war das Tier...“

- „Herakles 2 oder die Hydra“ aus: „Zement“, 1972

 

„...Die Welt ist nicht untergegangen, vorausgesetzt, das hier ist keine andre Welt. Wie erfüllt man einen unbekannten Auftrag. Was kann mein Auftrag sein in dieser wüsten Gegend jenseits der Zivilisation....“

- „Der Mann im Fahrstuhl“ aus: „Der Auftrag“, 1979

 

„EINS Darf ich Ihnen mein Herz zu Füßen legen. ZWEI Wenn Sie mir meinen Fußboden nicht schmutzig machen. (...) EINS heult (...) ZWEI Ich werde es Ihnen herausoperieren (...) Aber das ist ja ein Ziegelstein. Ihr Herz ist ein Ziegelstein. EINS Aber es schlägt nur für Sie.“

- Herzstück, 1981

 

„...Europa der Stier ist geschlachtet / das Fleisch fault auf der Zunge der Fortschritt lässt / Keine Kuh aus / Götter werden dich nicht mehr besuchen...“

- „Ajax zum Beispiel“, 1994

 

„...Im Gehen über die Schulter zurückblickend sehe ich im zwölften oder dreizehnten Stock des einsamen Hochhauses, auf einer Terrasse, unter einem Sonnenschirm, in einem Liegestuhl, einen Mann sterben. [...] Ich beobachte seine konvulsivischen Bewegungen, die von der Brust ausgehend allmählich den ganzen Körper erfassen, ich habe noch keinen Menschen sterben sehen, meine Neugier ist unersättlich...“

- Traumtext, 1995

 

Dank an: Kulturamt der Stadt Wien, BKA_Kunst/Theater, Bezirksvorstehung 7. Bezirk, private Sponsoren.

SpeziellenDank an: Peter Fuchs Direct Marketing, pink zebra theatre, Café Espresso, Restaurant Spatzennest, das möbel, Amerlingbeisl, Copyshop Nowak, Da Michele Pizzeria, Steppenwolf Outdoor Shop, Warmuth&Frisöre.

 

 

DOWNLOADS

PRESSEMAPPEHeinerMUELLER.pdf

Pressemappe HERZ.stücke

867 K

Aktionsplan_HERZ.stuecke.pdf

Aktionsplan HERZ.stücke

11.6 K

Radio_EVA_Kurztext.pdf

Text Radiosendung

201 K

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Fotos

h_mueller.tif

© Eva Brenner 1987

413 K

Mueller-Photos_1.pdf

© Rainer Berson 2005

4.6 M

Mueller-Photos_2.pdf

© Rainer Berson 2005

2.9 M

Mueller-Photos_3.pdf

© Rainer Berson 2005

4.7 M

Mueller-Photos_4.pdf

© Rainer Berson 2005

3.3 M

Herzstueck_Premiere.pdf

Fotos/Opening © Rainer Berson 2005

1.1 M
© Blind Spot E² 2005

Bilanz

Anlässlich des 10. Todestages des deutschen Schriftstellers und Dramatikers Heiner Müller veranstaltete das PROJEKT THEATER STUDIO an seinem neuen Standort FLEISCHEREI eine ungewöhnliche Theateraktion: Während 10 Tagen und 10 Nächten non-stop arbeiteten, performten und diskutierten 10 SchauspielerInnen, MusikerInnen und FilmemacherInnen zu 5 ausgewählten späten Texten von Heiner Müller. Dabei fungierte das Theater als „Gassenlokal“ und neuartiger Begegnungsort, der Tag und Nacht für seine Gäste offen stand. Es wurde gespielt, gelesen, diskutiert und jeden Abend für alle gekocht, die Aktionen fanden sowohl im Lokal als auch auf der Strasse statt.

Ziel des Projekts war die künstlerische Gestaltung einer lustvollen Grenzüberschreitung von „Kunst“/“Theater“ und „Leben“ als kreative Versuchsanordnung.  Das Experiment zeichnete sich nicht nur durch den zahlreichen Besuch aus, sondern regte an zu einer unerwarteten Dichte und Vielfalt künstlerischer Zugänge zu Heiner Müllers Texten und Themen.  Lebendig wurde das Projekt durch die Diversität und Koexistenz ästhetischer und sozialer Gegensätze, die sich in einem „kollektiven Wohnzimmer“ begegneten.  Viele BesucherInnen kamen mehrmals, um die Entwicklung des Prozesses mitzuverfolgen.  Sie setzten sich aktiv mit Texten von Heiner Müller, die ihnen weitgehend unbekannt waren, und aktuellen Inhalten wie Konzepte „neuer Arbeit“ oder Formen aktiven Widerstands auseinander.  Die Verschränkung interdisziplinärer künstlerischer und sozialer AktivistInnen mit gesellschaftlichen Gruppen – wie Kinder, Jugendliche,  freie KünstlerInnen, Frauen, Manager, Gewerbetreibenden aus dem Bezirk oder MigrantInnen - , die sonst kaum zusammentreffen, zeigte eine Lücke an kulturellen Freiräumen,  der die FLEISCHEREI begegnen will.

Mehr als 1000 Besucher nahmen an der 240-stündigen Theateraktion teil. Offensichtlich gibt es ein wachsendes Bedürfnis nach solchen Kunst- und Lebensräumen, die offen sind für alle und zur direkten Interaktion einladen.  Durch die Gestaltung des Raumes als artifizielles „Wohnzimmer“ und die Bespielung der Schaufenster der FLEISCHEREI und des angrenzenden öffentlichen Raums wurde neues Terrain für ein neues Publikum gewonnen: neben geladenen Gästen fühlten sich PassantInnen animiert, einzutreten, zu essen, zu trinken, zu diskutieren und an den Kunstaktionen teilzunehmen.  die Direktübertragung von Text, Ton, Video und Musik aus dem Innenraum auf die Strasse (und vice-versa) forcierte diese Kommunikation.

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen war gratis, jeder war am großen Schlachttisch zum gemeinsamen Essen geladen und konnte sich aktiv in die theatralisierten Diskussionen einmischen. Ein deutscher Besucher und Theaterregisseur charakterisierte das Experiment als eigenwillige und verblüffend zwanglose "Suche nach neuen Verkehrsformen des Lebens", die von allen Beteiligten eine produktive Verunsicherung ausgedienter Rollenmuster einfordert.

Die Weiterführung des Experiments mit Heiner Müller und anderen  zeitgenössischen Texten steht schon jetzt für das neue Team der FLEISCHEREI fest. Wobei Fragen nach neuen künstlerischen Sprachen im Vordergrund stehen werden: Welche Texte, Formen und Strukturen sind geeignet, die Emanzipation von SchauspielerInnen  und TheatermacherInnen weiter zu entwickeln. Wie kann die Lücke zwischen Kunstbetrieb und weiten Teilen der Gesellschaft, die sich vom Kulturangebot ausgegrenzt fühlen, geschlossen werden. Wie kann die Einrichtung einer grenzüberschreitenden Schnittstelle wie in der FLEISCHEREI professionalisiert werden. Kann daraus ein Impuls zur Kreation ähnlicher Freiräume des „Empowerments“ in Wien ausgehen. Das nächste Projekt in der FLEISCHEREI ist für März 2006 geplant und wird sich mit Texten Heiner Müllers zum Thema ÖDIPUS beschäftigen.