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© Barbara Liebhart

AUF DER SUCHE NACH JAKOB 2003

SEARCHING FOR JACOB/SZUKAJAC JAKUBA

EIN TEXT - EIN RAUM – ZWEI PERFORMANCES GEGEN DAS SCHWEIGEN

in deutscher, polnischer und amerikanischer Sprache

 

Premiere Wien: 01.04.2003

Premiere Krakau, Teatralne Łaźnia (Kazimierz): 5.06.2003

Gastspiel im Rahmen der "Wien-Krakau Tage" 2003

 

Text: Eva Brenner

Regie: Eva Brenner/Lee Breuer (NYC)

Mitwirkende: Axel Bagatsch (D), Daniel Kundi (A), Clemens Matzka (A), Maren Rahmann (D), Agnieszka Salamon (PL), Stefanie Waechter (A), Anne Wiederhold (D)

Raum/Installation: Walter Lauterer (A)

Regieassistenz: Verena Wiegand (D)

Dramaturgische Mitarbeit: Kristin Matschiner (A)

Musik: Axel Bagatsch, Jaroslav Koran (CZ), Anton Burger (A), Komposition: Peter Kaizar (A)

Kostüm/Fotografie: Barbara Liebhart (A)

Videodokumentation: Walter Lauterer (A)

 

„Persönliche Geschichte als „reale Fiktion“

 

AUF DER SUCHE NACH JAKOB ist ein Work-in-Progress unter Verwendung authentischer Materialien zur verborgenen jüdischen Geschichte eines Vaters, der 1938 der SA beitrat und 1977 an verspäteten Kriegsfolgen verstarb. Der amerikanische Avantgarde-Regisseur Lee Breuer (New York) und die österreichische Autorin und Regisseurin Eva Brenner (Wien/New York) erarbeiten zwei unterschiedliche Sichtweisen eines Textmaterials an einem Abend, im selben Raum und mit denselben PerformerInnen.

Während Lee Breuers Version auf Tragikomik und Farce setzte, strebte Eva Brenner eine stille szenische Meditation an - die ironisch distanzierte Außensicht des Amerikaners trifft auf die Innensicht der direkt betroffenen Autorin. Der Abend lebte von der Spannung zwischen zwei Perspektiven und ästhetischen Zugängen - divergierende Funktionsweisen von Erinnerungsarbeit und Geschichts-Wahrnehmung. 

Das Stück nimmt eine reale „Vision“ der Autorin, die vor einigen Jahren stattgefunden hat, als Ansatz - Fragmente, die durch die Unschärfen des zeitlichen Abstands zur theatralen Fiktion mutieren.  Die Tochter schildert den “Auftrag” eines Vaters, der aus dem Grab steigt, an seine Tochter, dass sie “Das”, was er nicht konnte, “für ihn” tun solle... Die kollektive Theaterarbeit umkreist die Frage: Was ist dieses rätselhafte “Das”?

Anhand persönlicher Erinnerungen, Interviews, Träumen, dokumentarischem Foto- und Filmmaterial zeichnet die Autorin ein fiktives Bild ihres vermutlich jüdischen Urgroßvaters „Jakob“, rückt die Suche nach „Herkunft“ sowie die Rolle des/der „Außenseiter/in” in Gesellschaft und Geschichte in den Mittelpunkt.  Das Schicksal der Nachfahren von „Jakob“ ist exemplarisch für Tausende andere.  Individuelle Familiengeschichte fungiert als Sprungbrett für eine historische Spurensuche aller am Prozess Beteiligten.  Ein Ensemble auf der Suche nach Antworten auf die Frage: „Warum ist der ‚Jude’ in uns/in unserer Kultur verschwiegen worden?“... 

 

 

SZENE 7 DIE „VISION“ (16. OKTOBER 1996) – Fragment 2001

"... Ich stand am Grab meines Vaters, das geöffnet war, frisch, tief abschüssig, umgestürztes Erdreich. Ich – Beobachterin - stand an der Kante des Grabs in der Mitte, links neben mir Steve, mein Schauspiellehrer von einst, der jüdische Schutzengel, stumm, rechts der Platz neben mir leer. Mein Vater kam langsam aus dem Grab auf mich zu, bekleidet mit einem seiner typisch altmodischen, grauen 60er-jahre Polyester Anzüge - [...] Er sprach kurz, oder gar nicht... alles muss sich innerhalb von Sekunden abgespielt haben, nicht mehr als zehn. [...] Einfach, stoisch sagte er drei Sätze: „Ich entschuldige mich. Ich konnte ES nicht tun. DU musst ES für mich tun!...“ - In diesem Moment wusste ich, wer er ist, wer er gewesen war. Der Auftrag: herauszufinden, was das ES ist, das ich für ihn tun muss... Noch in derselben Nacht telefonierte ich kreuz und quer durch Europa und Übersee mit all den Verwandten, von denen ich mir wenigstens ein bisschen Aufschluss erhoffte. Tante Franka in D.C. weckte ich früh morgens aus dem Schlaf - meine Frage: „War Vati ein Jude?...“

- Eva Brenner

 

Der US-Regisseur Lee Breuer

ist einer der führenden Avantgarde-Regisseure seines Landes und Mitbegründer (u.a. mit Philip Glass) der international bekannten transdisziplinären Experimentaltheatertruppe MABOU MINES (New York). Einen besonderen Ruf erwarb er sich als Spezialist für Samuel Beckett, der für seine Gruppe Stücke schrieb. Er ist als einer der wichtigsten modernen Beckett-Regisseure bekannt, der in namhaften Biographien über Beckett aufscheint. Zuletzt feierte er Erfolge am Broadway in New York mit der Adaptierung der berühmten Peter Pan-Story „Peter & Wendy“, die weltweit gezeigt wurde. Er erhielt zahlreiche Preise und Einladungen zu internationalen Festivals. So gastierte er mit seiner Experimentaltheatergruppe MABOU MINES am Moskauer Künstlertheater. Breuer ist Empfänger des renommierten MacArthur-Foundation Grant für sein Lebenswerk, das als besondere Auszeichnung gilt. Er ist Autor mehrerer Stücke und Publikationen und lehrte u.a. an der Yale School of Drama und der Stanford University.

 

Die Autorin Eva Brenner

und ihr PROJEKT THEATER STUDIO befinden sich im regelmäßigen kreativen Austausch mit führenden Exponenten der theatralen Avantgarde New Yorks, wo Brenner 15 Jahre lang lebte. 1953 in Wien geboren, hat sie nach Studien in Deutschland, Österreich, Frankreich und den USA als Regisseurin und Bühnenbildnerin am Off- und Off-off Broadway, als Theaterwissenschaftlerin an der New York University und als kultur-politische Friedensaktivistin in amerikanischen Basis-Bewegungen gearbeitet. 1994 Rückkehr nach Wien; seit 1991 künstlerische Leitung von PROJEKT THEATER / Wien – New York, 1995 Gründung von ACT NOW / theater arbeit, einer professionellen Workshopserie für experimentelles Theater. Seit 1990 diverse Regiearbeiten innerhalb der Freien Theaterszene Österreichs mit Inszenierungen von Stücken zeitgenössischer AutorInnen. Brenner ist Mit-Begründerin und Künstlerische Leiterin des PROJEKT THEATER STUDIOS – und seit Sommer 2004 der FLEISCHEREI - im 7. Wiener Gemeindebezirk, wo seit 1998 über die Grenzen hinaus kreative Impulse zur Entwicklung experimenteller Theaterkunst gesetzt werden.

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